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Reisetagebuch 2009

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Montag, den 14.12.2009

Ende November flog ich nach Israel. Die Heimat rief.

Zu dieser Zeit war in meiner Kindheit in Israel schon immer tiefer Winter: Starke Regenfälle, kalter Wind.

Jetzt hat sich das Klima so sehr verändert, dass, als ich am 20.11.09 im Land angekommen war, mich erst einmal mich bis zum kurzärmeligen T-Shirt ausziehen musste.

Das Meer habe ich sofort besucht: Das Wasser war um die 23 Grad warm, die Sonne hat es aufgeheizt. Vielleicht hatte ich aber nur Glück. Eine Woche bevor ich geflogen bin, hatte es starke Stürme mit viel Regen gegeben. Ich erlebte fast nur Sonnenschein. Doch es gab paar Spuren des Regen: Duftende gelbe Blumen schmückten die Dünen an der Küste.

Der Strand von Ashdod (der größte Hafenstadt Israels, wo meine Mutter lebt) war nur von wenigen Leuten besucht. Manche haben nur geangelt, die anderen Sport getrieben oder gebadet. Die Sprache: Russisch. Es gibt in Israel sehr viele Russen, die in die letzter Zeit eingewandert sind. Das sind Menschen, die das Meer schätzen und darin baden, bei jedem Wetter.

Am Strand lagen große Quallen. Sowas habe ich nie erlebt, dass im Winter Quallen kommen. Doch ich habe es gewagt zu baden und habe jede Minute genossen.

Jeden Tag prophezeihte der Wetterbericht: Morgen gibt es etwas Regen. Doch es blieb trocken und relativ warm. Wenn ich mir überlege, hier ertrinken wir im Regen, doch in Länder wie Israel fählt es so an Wasser, dass man den Garten nicht gießen darf, weil das Grundwasser zurückgegangen ist.

Sonst ist die Stimmung zur Zeit ruhig, es gab keine Spannung wegen Terror oder Krieg. So bin ich viel gereist, besuchte Verwandte und Freunde und stillte meine Sehnsucht, die Heimat zu erleben.
 

Samstag, den 31.10.2009

Endlich, endlich habe ich etwas Zeit, Geschichten auch einmal aufzuschreiben, statt sie zu erzählen. Die folgende Geschichte wurde mir im September 2008 in Dettingen/Erms erzählt.

Nach einem Auftritt spricht ein alter Mann mich an: Er muß mir unbedingt erzählen, wie er dem einzigen Juden im Krieg begegnet ist. Er redet in einem sehr starken schwäbischen Dialekt. Zuerst verstehe ich nicht viel, doch nach zwei Wiederholungen und Übersetzungshilfe durch die Umstehenden, finde ich die Geschichte so schön, dass ich sie in meinem Programm mit erzähle. Ich kann nur Hochdeutsch schreiben, leider kein Schwäbisch.
 

Sein einziger Jude im Krieg

Es ist das Ende des Krieges. Ich bin ein junger Soldat, vielleicht 16 Jahre alt, klein und sehr müde. Ich marschiere in Bayern Richtung nach Hause. Es ist spät nachts, ich finde keine Übernachtung. Auf einmal steht ein großer amerikanischer Soldat vor mir, das Gewehr auf mich gerichtet und redet ganz viel auf amerikanisch zu mir. Ich verstehe kein Wort, bin totmüde und sage: "Ach, leck mich mal am Arsch, du verstehst mich nicht, ich verstehe dich nicht, was soll das Ganze!" Zu meiner großen Überraschung macht der Amerikaner seinen Mund auf und sagt auf Schwäbisch: "Bub, wo kommst du den her?"

Ich sage: "Aus Dettingen Erms, aber woher kannst du Schwäbisch?" Da antwortet er: "Ich bin aus Stuttgart. Bin Jude. Meine Familie ist vor dem Krieg nach Amerika ausgewandert. Aber sag mir, Bub, was machst du hier, mitten in der Nacht auf die Strasse? Weißt du denn nicht, dass Sperrstunde ist? Dein Leben kann in Gefahr sein!" Ich sage: "Was kann ich tun, dieser Bauer hat mich ´naus g'schmissen!"

Der amerikanische Jude nimmt mich bei der Hand, wir gehen zum Bauern. Er klingelt an die Tür. Der Bauer macht auf. Der Amerikaner sagt: "Du gibst diesen Bub ein gutes Bett zum schlafen, oder ich werfe dich hinaus!" Am nächsten Morgen kommt er noch, um zu kontrollieren, ob ich wirklich dort geschlafen habe. Heimlich schenkt er mir einen großen Laib Brot und eine riesen Tafel Schokolade. Er sagt: "Bub, pass auf dich gut auf, verstecke das Brot gut und komm gut nach Hause!"

 

Sonntag, den 18.10.2009

Heppenheim an der Bergstrasse, Martin Bubers Haus

Ich fühle mich sehr geehrt, im Haus von Martin Buber einen Auftritt zu geben. In meinem Programm sind Geschichten aus Israel-Palästina und Chassidische Weisheitsgeschichten - alle sehr humorvoll.

Die Veranstalterin ist neu und weiß nicht, ob überhaupt Leute kommen werden. Zu unserer Überraschung wird der kleine Raum immer voller, bis sie noch ein Zimmer aufmachen muß, um die über 60 Menschen hinein zu pferchen. Keiner von ihnen will das Haus verlassen.

Vor allem freue ich mich, dass im Publikum ein altes Pärchen sitzt, das ich eingeladen habe. Wir haben uns Jahre lang nicht gesehen haben. Sie wohnen in der Nähe. Doch der Mann ist sehr krank und gebrechlich. Er weiß nicht, ob er nicht einschläft oder nach Hause gehen muss. Doch sein Humor ist immer noch geblieben und er ist rührend mit den Witzen, die er über sich selbst macht.

Ich bin ganz glücklich, dass meine Stimme heute kraftvoll ist, so dass auch die Leute im Nebenzimmer mich hören. Das alte Pärchen will nicht nach Hause gehen. Sie lachen schallend mit dem ganzen Publikum. Irgendwann, gegen Schluss, merke ich, dass der alte Mann immer wieder einnickt. Doch ich möchte ihm alle meine Geschichten schenken, daher mache ich kleine Änderungen in der Geschichte und sage jedes Mal: "Wach auf, wach auf, sagte der Vater…" oder so ähnliche Sätze. Mein Bekannter wacht sofort auf und kein Mensch merkt, dass der Satz nur für ihn bestimmt war… Ich habe das Gefühl, dass Martin Buber mit lauscht und das alles sehr geniesst und bin endlos dankbar. Es ist einfach ein wunderschöner Abend. Zwei Tage später schreibt die Presse einen wunderschönen Artikel (im PDF-Format) über diesen Auftritt.

 

Mittwoch, 07.01.2009

Der Krieg in Israel tobt, die schöne Gegend, wo ich meine Kindheit verbracht hatte, steht unter Raketenbeschuß, eine Tatsache, die nie vorher denkbar gewesen war.

Ich wache um 4:00 Uhr morgens auf und denke an eine bekannte Geschichte, die ich nun erzählen will, als meinen Kommentar zum Krieg:

Das Gebet

Der Baal Schem Tov, der größte gerechte Rebbe aller Zeiten, pflegte einen Geheimplatz im Wald zu besuchen. Dort machte er ein Feuer und ein Geheimritual. Immer wenn seine Gemeinde bedroht war von einem Pogrom, entzündete er im Wald sein Feuer und machte sein Ritual, betete und es hat gereicht: Die Gemeinde wurde gerettet.

Sein Nachfolger kannte den Geheimplatz im Wald nicht. Er machte das Feuer an, und sagte: Gott, ich kenne den Geheimplatz nicht, aber das Ritual mache ich. Rette die Gemeinde! Und das hat gereicht.

Sein Nachfolger machte nur ein Feuer an. Er sagte: Gott der Allmächtige, ich kann das geheime Ritual nicht machen. Aber ich bitte vom Herzen: Rette unsere Gemeinde! Das hat auch gereicht.

Sein Nachfolger sagte: Gott, ich kenne weder den Geheimplatz im Wald, noch das Ritual, noch habe ich einen Platz für Feuer. Aber ich bitte vom Herzen: Rette unsere Gemeinde. Und siehe da, es hat auch gereicht.

Nun, ich bin nur die Revital, eine einfache unfromme Israelin. Bin keine Nachfolgerin vom Baal Schem Tov, und keine Heilige-Gerechte. Nicht einmal beten kann ich richtig.

Aber ich wage es zu sagen: Gott der Allmächtige, wie lange dürfen deine Kinder, die Kinder Abrahams, sich gegenseitig vernichten? Ich bitte von ganzem Herzen: Tue Etwas um die Gewalt zu stoppen! Du hast einmal versprochen, dass irgendwann werden sich alle Waffen zu Landwirtschaftsgeräten umwandeln.

Wie wäre es, wenn sie es schon heute tun? Wie wäre es, wenn schon heute keine Waffe, kein Kampfflugzeug und keine Rakete mehr funktionieren würde? Wie wäre es, wenn die Kinder Abrahams gezwungen werden, miteinander zu verhandeln, um eine gute Lösung zu finden?

Und ich hoffe, dass es reicht!

 

Dienstag, 06.01.2009

Cinema Jenin hat nun eine eigene Homepage (in einem neuen Fenster) mit vielen, schönen Fotos und ausführlichen Informationen rund um das Projekt.


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